Rota Vicentina / Tejo-Weg nach Fatima

Drei außergewöhnliche Wanderwege vereint in einem einzigartigen Reisebericht:
– Rota Vicentina – historische Variante
– Rota Vicentina – Fischerpfad
– Caminho do Fatima – Tejo-Weg

Nach meinen beiden Jakobswegen über den nordspanischen und den portugiesischen Küstenweg nach Santiago de Compostela habe ich mir diesmal den Süden Portugals vorgenommen und bin im Frühjahr 2023 nach Fatima gepilgert.

So lange habe ich diesem Datum entgegengefiebert – am Freitag, den 21. April sollte mich der Flieger nach Faro bringen, wo ich zuerst über die Rota Vicentina an der portugiesischen Algarveküste nach Sines und dann auf eigene Faust irgendwie direkt am Meer oder über eine Schnellstraße nach Lissabon wandern wollte. Und weil ich es auf meinem Jakobsweg 2016 einem Fischer in Nazaré versprochen hatte, waren zum Abschluss noch fünf Pilgertage am Caminho de Fatima geplant, der im – neben Lourdes in Frankreich – wohl wichtigsten Marienwallfahrtsort Europas enden sollte. Doch dann kam alles anders!

Zwei Tage vor dem geplanten Abflug war mein rechtes Knie plötzlich doppelt so groß, mein Orthopäde zog mir einen halben Liter Gelenksflüssigkeit raus, meinte, dass alles entzündet wäre, verpasste mir eine Antibiotikakur und offenbarte mir, dass ich unter keinen Umständen so weit marschieren könne. Na super! Aber was hilft’s – also Flug stornieren, etwas mit dem Schicksal hadern und mal schau’n, wie sich mein Elefantenknie weiter entwickelt. Im Nachhinein gesehen war mein Körper g’scheiter als ich, denn ich wollte bis Donnerstag arbeiten und am Freitag um 7 Uhr in der Früh wäre der Flieger gestartet. Nie und nimmer hätte ich alles erledigen können, was noch offen war – nicht in der Firma und nicht zu Hause. Am Montag war der nächste Arzttermin, das Knie hatte normale Dimensionen, aber der Orthopäde meinte, diese Schwellung könne jederzeit wieder kommen. Aber vielleicht auch nicht, sagte er leise, man könne das nicht im Vorhinein sagen. Ich hörte nur „vielleicht auch nicht“, und da war für mich klar, es doch zu versuchen. Ich buchte für zwei Tage später den Flug, konnte in dieser Zeit meine wichtigsten Arbeiten fertig machen und flog am 26. April nach Faro. Schaumamoi, wird schon schiefgehen!

Und nichts ist schiefgegangen. Ich bin in Lagos am Fishermen’s Trail losgestartet, direkt am Meer entlang, über Klettersteige die Klippen hochgekraxelt, bin bis zum Cabo de Sao Vicente, dem südwestlichsten Punkt vom Festland Europas, gewandert und habe dort bei einem Imbissstand die Letzte Bratwurst vor Amerika gegessen. Mein Knie hat sich zwar immer wieder mal bemerkbar gemacht, es war aber halb so schlimm – Kniestrumpf ist Trumpf. Trotzdem bin ich dann auf den historischen Weg der Rota Vicentina gewechselt, weil am Fishermen’s Trail jetzt lange Strecken im tiefen Sand zu erwarten waren. Und so ganz wollte ich es mir mit meinem Knie doch nicht verscherzen. Dieser historische Weg ging durch das Landesinnere, durch landwirtschaftlich genutzte Täler, in denen bei der derzeitigen Hitzewelle in Portugal mit mehr als 30 Grad sehr selten Schatten zu sehen war und kein Luftzug die Temperaturen erträglicher machen konnte. Bei manchen Etappen kam ich doch an meine Grenzen und ich hatte den Verbrauch eines Monster-SUVs von 9 l Wasser auf 34 km. Daher entschied ich mich, dann doch auf den Fishermen’s Trail zu wechseln – und, was soll ich sagen: Beste Entscheidung ever! Das Stapfen im tiefen Sand war zwar sehr anstrengend, aber der Wind vom Atlantik her machte die Hitze erträglich und auch mein Knie zeigte sich sehr kooperativ. Die Strecke war einfach unglaublich, es gab endlosen Sandstrände, verträumte, kleine Buchten und eindrucksvolle Felsformationen und Klippen, die ich so noch nie sah. Nach 250 km habe ich Sines erreicht und war überglücklich, auf diesen Küstenweg gewechselt zu haben.

Meinem Knie zuliebe habe ich dann auf das „eigene Wege-Finden“ nach Lissabon verzichtet und bin mit dem Bus in Portugals Hauptstadt gefahren. Wo ich dann am nächsten Tag auf die 150 km am Caminho de Fatima gestartet bin. Die ersten drei Tage ging es entlang des mächtigen Tejo-Flusses, danach führte mich der Weg in von Landwirtschaft dominierte Täler, wo Tomaten und anderes Gemüse auf riesengroßen Flächen angebaut wird. Es ging hinauf in schwindelnde Höhen von beinahe 450 m, die Gegend erinnerte mich sehr an zuhause im Hochsommer, auf den Feldern lag Stroh, Kühe und Pferde schauten mich entgeistert and und fragten sich wohl, welcher Esel in dieser Hitze lachend an ihnen vorbeimarschiere, und statt Apfel- oder Birnenbäume sah ich tausende Olivenbäume und wanderte durch Eukalyptuswälder.

Am 6. Tag war’s dann so weit. Weil ich zufällig am 13. Mai, dem Jahrestag der Erscheinung Marias in Fatima ankam, war eine Menge los. Tausende Menschen waren auf dem großen Platz zwischen der viertgrößten katholischen Kirche der Welt, der Basilica da Santissima Trindade, und dem Heiligtum von Fatima, der Basílica de Nossa Senhora do Rosário, versammelt, viele rutschten in der Hoffnung auf Heilung oder Erlösung ihrer Sünden auf den Knien hunderte Meter bis zur Erscheinungskapelle, es roch nach Weihrauch, Schweiß und Kerzen und irgendwie lag eine ganz eigene Stimmung in der Luft. Für mich war es nach 17 Tagen und 400 km das Ende einer wunderschönen Wanderschaft und ich habe mich keiner einzigen meiner Tränen geschämt, die mir hier und später in der Hl. Messe aus Demut, Glück und Dankbarkeit über die Wangen geronnen sind. Leider weiß es der Fischer aus Nazaré nicht, aber ich habe mein Versprechen gehalten.

Und weil beide meiner Knie so brav mitgemacht haben, habe ich ihnen das Rutschen über den Kirchenplatz erspart …

Die GPS-Tracks und eine schnelle Beschreibung der einzelnen Tage finden Sie unter der Fotoleiste …

Fakten

REISEZEITRAUM

27. April – 13. Mai 2023

STRECKE

450 km

START

Lagos

ZIEL

Fatima

Reisebuch  –  Details
Multimedia-Vortrag

Wikiloc | HH 2023-02 – Rota Vicentina/Fishermen’s Trail: Salema-Sagres Trail

Wikiloc | HH 2023-03/1 – Rota Vicentina/Fishermen’s Trail: Sagres-Cabo de São Vicente Trail

Wikiloc | HH 2023-03/2 – Rota Vicentina/Historische Variante: Cabo de São Vicente-Vila do Bispo Trail

Wikiloc | HH 2023-04 – Rota Vicentina/Historische Variante: Carrapateira-Vila do Bispo Trail

Wikiloc | HH 2023-05 – Rota Vicentina/Historische Variante: Carrapateira-Arrifana Trail

Wikiloc | HH 2023-06 – Rota Vicentina/Historische Variante: Arrifana-Aljezur-Odeceixe Trail

Wikiloc | HH 2023-07 – Rota Vicentina/Historische Variante: Odeceixe-São Teotónio Trail

Wikiloc | HH 2023-08 – Rota Vicentina/Fishermen’s Trail: Almograve-Zambujeira do Mar Trail

Wikiloc | HH 2023-09 – Rota Vicentina/Fishermen’s Trail: Almograve-Vila Nove de Milfontes Trail

Wikiloc | HH 2023-10 – Rota Vicentina/Fishermen’s Trail: Vila Nove de Milfontes-Porto Covo Trail

Wikiloc | HH 2023-11/1 – Rota Vicentina/Fishermen’s Trail: Porto Covo-Sao Torpes Trail

Wikiloc | HH 2023-11/2 – Rota Vicentina: Sao Torpes-Sines Trail

Wikiloc | HH 2023-12/1 – Caminho de Fatima/Tejo Weg: Lissabon Busbahnhof-Kathedrale Trail

Wikiloc | HH 2023-12/2 – Caminho de Fatima/Tejo Weg: Kathedrale-Sacavém Trail

Wikiloc | HH 2023-13 – Caminho de Fatima/Tejo Weg: Sacavém-Vila Franca de Xira-Castanheira do Ribatejo Trail

Wikiloc | HH 2023-14/1 – Caminho de Fatima/Tejo Weg: Castanheira do Ribatejo-Azambuja Trail

Wikiloc | HH 2023-14/2 – Caminho de Fatima/Tejo Weg: Azambuja-Reguengo Trail

Wikiloc | HH 2023-15 – Caminho de Fatima/Tejo Weg: Reguengo-Santarém Trail

Wikiloc | HH 2023-16 – Caminho de Fatima/Tejo Weg: Santarém-Monsanto Trail

Wikiloc | HH 2023-17 – Caminho de Fatima/Tejo Weg: Monsanto-Fatima Trail

Wetter: Wolkenlos, 22 Grad.
Strecke: Die geplante Strecke von Lagos über Luz nach Salema ist ca. 22 km lang und lt. Pilgerberichten leicht bis mittel schwer zu gehen. Sie bietet tolle Steilküsten und wunderschöne Sandstrände, weiße Kalkfelsen wechseln sich mit dunklem Vulkangestein ab und alles in allem wäre diese Etappe ein großartiger Einstieg in meinen Caminho. Aber leider ist es mir aufgrund eigener Blödheit (näheres im Buch) nicht möglich, heute loszustarten. Ich mache stattdessen eine 15 km Wanderung quer durch die sehenswerte Stadt Lagos und ein paar Kilometer Richtung Luz.
Quartier: Salema Eco Camp – 60 Euro. Sehr empfehlenswert, Übernachtung im Zelt mitten in der Natur, ca. 2 km von Salema entfernt. Achtung: lt. booking.com musste man im Frühjahr 2023 mindestens zwei Nächte buchen, ich habe direkt angerufen und es war kein Problem, nur eine Nacht zu bleiben.

Wetter: Nur ein paar Schäfchenwolken, 22 Grad.
Strecke: Es sind doch einige Klippenpassagen dabei, auf denen man etwas geländegängig sein sollte – diese Etappe wird nicht umsonst als schwierigste des gesamten Fishermen’s Trail ausgewiesen. Relativ lang, aber traumhafte Aussichten auf den Atlantik und die imposante Steilküste.
Bei Ebbe kann man zwischen den Stränden Praia de Figueira und Praia das Furnas direkt am Wasser entlangwandern und würde sich den Umweg über das Landesinnere ersparen.
Verpflegung: An der Praia do Zavial und der Praia da Ingrina (ungefähr bei der Hälfte der Etappe) gibt es jeweils ein schönes Strandlokal mit kalten Getränken und gutem Essen.
Sonstiges: Ich habe einen fast vier Kilometer langen Umweg nach Figueira eingeschlagen, weil ich dort frühstücken wollte. Vom Eco-Camp in Salema würde man diesen Ort auf einer Straße durch das Landesinnere in einer halben Stunde erreichen, auf dem Fishermen’s Trail waren es acht unglaublich schöne Kilometer direkt am Atlantik.
Quartier: Casa do Cabo des Santa Maria – 55,33 Euro. Freundlicher Empfang, schönes Zimmer, kein Frühstück möglich, aber Geschäfte und Bars in der Nähe. Empfehlenswertes Restaurant Carlos 50 m entfernt.

Wetter: Bis zum frühen Nachmittag keine Wolke in Sicht, dann bedeckt.
Strecke: Anfangs am Fishermen’s Trail direkt am Atlantik entlang, dann fünf Straßenkilometer bis zum Cabo de São Vicente und später auf der historischen Variante durch das Landesinnere nach Vila do Bispo.
Verpflegung: Nach ca. 10 km gibt es am Cabo da São Vicente ein Café und einige Imbissstände.
Sonstiges
: Nach dem Cabo wechsle ich vom Fishermen’s Trail auf die historische Variante, weil mein Knie sich meldet. Weil ich in Vila do Bispo kein Quartier finde, fahre ich mit dem Taxi nach Carrapateira, dem nächsten geplanten Ort meiner Wanderschaft, und lasse mich morgen wieder zurückbringen.
Quartier: Hostel do Mar in Carrapateira – eigenes Zimmer mit Gemeinschaftsbad – 50 Euro. Cooles Hostal für Surfer und Wanderer, sehr rein, empfehlenswert.

Wetter: 17 ° am Morgen, sogar ein paar Regentropfen, aber später wieder uneingeschränkter Sonnenschein.
Strecke: Diesmal von Norden nach Süden. Gleich nach Carrapateira geht es in das Gebirge auf über 150 m Seehöhe, nach dem Abstieg führt der Weg durch ein landwirtschaftlich genutztes Flusstal und später wieder bergauf durch Eukalyptus- und Kieferwälder auf eine Hochebene bis Vila do Bispo.
Verpflegung: Nach ca. 10 km gibt es in Pedralva zwei Restaurants, die jedoch beide geschlossen waren. Ein Anruf wird also empfohlen.
Sonstiges: Weil der Taxifahrer in der Früh keine Zeit hat, mich zurückzubringen zu meinem Endpunkt von gestern, marschiere ich einfach in die entgegengesetzte Richtung.
Quartier: Noch einmal im Hostel do Mar in Carrapateira. Weil kein Zimmer mehr frei war, übernachte ich diesmal im Schlafsaal zusammen mit 7 Mädls um 22 Euro.

Wird fortgesetzt …

HIMMEL, HERRGOTT, FATIMA
HIMMEL, HERRGOTT, FATIMADer schönste Pilgerweg Portugals
Erscheint im Februar 2024 bei Ueberreuter